Anforderungen

Welche Grundvoraussetzungen sollte man für das Traditionsfahren mitbringen?
Lesen Sie eine Zusammenfassung der «Goldenen Regeln», empfohlen von Dr. Andres Furger

Empfehlungen zur Teilnahme an einem städtischen Wagenkorso (Traditionsfahren)

nach Andres Furger

Ein Korso schöner Equipagen zeigt das breite Spektrum der ehemaligen Bandbreite von Luxuswagen und anderen Fahrzeugen im Gebrauch. Eine gute Equipage zeichnet sich einerseits durch die Einhaltung eines ganz bestimmten (ehemaligen) Codes aus, andererseits zeigt sie einen Schuss Individualität. Als Vorbild eignen sich zum Beispiel historische Fotos, zu finden in der entsprechenden Fachliteratur, lokale Überlieferungen und Rückgriffe auf Familientraditionen. Die meisten erhaltenen Kutschen stammen aus der Zeit um 1900. Es empfiehlt sich daher, sich an dieser Zeit zu orientieren. Ausnahmen in der Kombination der Kleidung gehen durch, wenn sie auf historische Rückgriffe gestützt sind.

Ein Fahrkorso lebt vom Gesamtbild. Ein schön herausgebrachter Einspänner ist gleich wertvoll wie ein teuer aufgemachter Viererzug. Eine wichtige Voraussetzung sind ein untadeliges Benehmen und gut gefahrene Pferde. Das Pferd soll am Zügel gehen, beim Halt ruhig stehen, Fahrerinnen und Fahrer sitzen in jeder Situation ebenso gerade wie die Mitfahrenden, die Peitsche bleibt ständig in der behandschuhten Hand. Die Mitfahrenden folgen den Anweisungen des „whip“, der auf die Sicherheit bedacht hauptsächlich auf die Pferde achtet, Fahrerin und Fahrer verlassen den Bock nicht.

Alle Insassen, auch die Kinder, tragen Hut, die Röcke der Damen sind lang und rutschen nie über das Knie zurück. Die Herren tragen einen steifen Hut wie Zylinder oder Melone (bei Hitze auch den aus Stroh geflochtenen Cannotier), die Wagen sind mit Laternen versehen und sollen nicht überladen werden.

Aufmachungen wie bei einem Trachtenumzug, zu pompös wirkende Kleider aus dem Kostümverleih (oft Biedermeier), passen weder zur Tageszeit noch zeitlich zum Wagen. Abgeraten wird auch von langen dicken Kniedecken für den Kutscher, Rücklaternen am Wagen, Federbüsche und Ohrengarne auf den Pferdeköpfen.

Sieben Goldene Regeln

  1. Wenn möglich, sollte der Wagen im Originalzustand eingesetzt werden oder zumindest sorgfältig restauriert sein. Scheibenbremsen sind nicht unbedingt erwünscht, aber auch nicht ausgeschlossen. Fehlt die Routine im Umgang mit der Handbremse, dient es der Sicherheit, Scheibenbremsen zu benutzen. Das Aufrüsten der Wagen mit zu viel glänzenden Teilen und unpassenden Zutaten sind häufige Fehler. Solch auffallende Wagen wurden auch schon in der früheren Zeit von Zuhältern gefahren.
  2. Gesamtbild: Grösse von Pferden, Wagen und Insassen sollten zusammenpassen. Vom Kutscher zu fahrenden Wagentypen (z.Bsp. Mylord) werden nur livriert mit Zylinder gefahren. Grooms sind für Pferde und Sicherheit mitverantwortlich. Eine Dame fährt nie ohne Groom oder Begleitperson. Alle Farben passen zusammen, die Livree ist farblich auf den Wagen abgestimmt. Die Beschläge am Wagen, den Geschirren und der Knöpfe an Livree sind einheitlich.
    Häufige Fehler bestehen darin, dass die Fahrer und Fahrerinnen die Fahrgäste zu wenig instruieren, diese die Regeln nicht befolgen, der Groom seine Rolle nicht korrekt spielt und nicht die angemessene Haltung einnimmt. Ein «Spazierenschauen» ist unerwünscht. Phantasievolle Kleidung des Kutschers zwischen Livree und Herrschaftskleidung ist ebenso unpassend.
  3. Die Kleidung der Insassen soll auf das Gesamtbild abgestimmt sein. Zum Sportwagen gehört Sportkleidung, auf die Fahrt zur Oper im Coupé Abendkleidung. Bunte Abendgarderobe und tiefe Dekolletes sowie der Schwalbenschwanz gehören nicht auf einen sportlichen Wagen.
  4. Schöne Details wie Taschen, Körbe, Decken runden das Gesamtbild ab. Der Hut muss in der Stirn sitzen, er wird nicht nach hinten geschoben. Der Gentlemanfahrer und die Sportlady tragen zum Schutz der Kleidung eine Kniedecke, der Kutscher jedoch nicht. Erwünscht sind Materialien alter Art. Auf moderne Utensilien wie Plastiktaschen, Sonnenbrillen usw. soll verzichtet werden. Zur Livree gehören Handschuhe in der Farbe der Stiefelstulpen.
  5. Das Verhalten aller Personen ist ein wichtiger Teil des Auftritts: Man gibt sich weniger jovial als heute, ist jedoch freundlich und zeigt Freude. Beim Grüssen ziehen die Herren immer den Hut (nicht bis zur Bettelstellung), Kutscher und Groom grüssen im Höchstfall nur durch antippen der Hutkrempe gegenüber der Herrschaft. Um 1850 sass der Groom mit gekreuzten Armen auf dem Bock, um 1900 lagen die Hände flach auf den Oberschenkeln. Sitzt der Kutscher alleine auf dem Kutschbock, rückt er den Fahrkeil in die Mitte. Die Beine und Füsse aller auf und in dem Wagen befindlicher Personen bleiben in geziemter Haltung, den Damen ist man beim Ein- und Aussteigen behilflich, Die Dame, mit Ausnahme der Bockdame, sitzt rechts vom Herrn.
  6. Der Auftritt erfolgt in Anpassung an den Anlass. Die Garderobe und die Accessoires sollten passen, Kontraste wie ein Reisekoffer auf dem Stadtwagen sollten vermieden werden.
  7. Die Sicherheit hat oberstes Gebot. Der Kutscher verlässt beim Halt den Bock nicht, der Groom steht vor den Pferden und lässt sich weder durch Gespräche noch durch andere Ereignisse von den Pferden ablenken.